Urbanes Leben in der Provinz
Die Geschichte der Römerstädte
Die Talking Heads
Urbanes Leben in der Provinz
Vor rund 2000 Jahren kamen römisches Ingenieurshandwerk und ausgereifte Techniken in Land,- Vieh- und Forstwirtschaft in den Kärntner Raum. Es entstanden autonome Städte (lat. municipia), die durch Flussläufe und neu errichtete Straßen miteinander verbunden waren. Verwaltungszentrum der römischen Provinz Noricum war das municipium Claudium Virunum im heutigen Zollfeld, eine Provinzhauptstadt mit Kapitol, Forum, Bühnentheater, Amphitheater, Thermen und großen Wohnkomplexen. Statuen von Göttern, Herrschern und anderen hochgestellten Persönlichkeiten zierten die Heiligtümer, öffentlichen Gebäude und Plätze Virunums.
Römische Kultur am Magdalensberg
Noch vor der Gründung von Virunum gab es auf dem Magdalensberg eine von römischer Kultur geprägte Stadt. Zwei dort gefundene Marmorporträts von hoher Qualität (norisches Mädchen und republikanischer Bürger) wurden von aus dem Süden zugezogenen Steinmetzen angefertigt. Die ebenfalls am Magdalensberg freigelegten Wandmalereien sind in ihrer Qualität außerhalb Italiens bisher einzigartig. Die gewählten Motive, u. a. der Gott Dionysos und die mythologische Figur der Iphigenie, zeigen, dass damalige Bewohner der Siedlung auch klassische Werke der Dichtkunst kannten und gebildet waren.
Große Theaterkunst
Schon im 19. Jh. fand man auf dem Zollfeld umfangreiche Reste römischer Wandverzierungen des 2. Jhs. n. Chr. Sie schmückten ursprünglich die Rückhalle des Bühnengebäudes des Theaters von Virunum. In einem interdisziplinären Projekt des Kärnten Museums mit der Hochschule für Bildende Künste Dresden wurden die Stücke erstmalig konservierungswissenschaftlich untersucht, restauriert und für die Präsentation vorbereitet. Durch die in den Hängevitrinen gezeigten Fragmente lassen sich Architektur- und Tierdarstellungen, Stuckapplikationen sowie florale und ornamentale Elemente leicht erfassen und miteinander vergleichen. In der Flachvitrine werden Fragmente von besonderer Bedeutung ausgestellt, die gleichzeitig ehemalige wie aktuelle Konservierungsmaßnahmen demonstrieren.
Brot und Spiele
Das in der Antike mehrfach renovierte Amphitheater hat aufgrund seiner Hanglage einen eigentümlichen Grundriss und gleicht eher einem Circus. Es bot bis zu 4000 Besuchern Platz und diente als Übungsplatz für berittenes Militär und Jugendverbände, für Hinrichtungen, für Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe. Die bejubelten Kämpfer konnten über einen unterirdischen Gang spektakulär im Zentrum der Arena „erscheinen“ – passenderweise gleich gegenüber eines Heiligtums der Schicksalsgöttin Nemesis.
Geeichtes Gewicht
In dieser Form einzigartige Objekte kamen während des Zweiten Weltkriegs in Feldkirchen ans Licht: ein vollständiger Satz von elf schalenförmigen Gewichten (Kapselgewichte), die aufgrund ihrer Aufschrift vom Tempel der Dioskuren in Rom ausgegeben und somit staatlich geprüft worden waren. Ganz allgemein lässt sich der Satz zwischen der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. und dem Ende des 3. Jhs. n. Chr. datieren, wobei aufgrund des Fundes zweier Gussformen auf dem Magdalensberg ein früher Gebrauch solcher Gewichte anzunehmen ist.
Heilsbringer aus dem Osten
In Virunum wurden auch Heilsbringer aus dem Osten wie die ägyptischen Gottheiten Isis und Serapis, der syrische Baal von Doliche oder Mithras verehrt. Römische Bürger gehobener sozialer Stellung sind auf einer Bronzetafel als Mitglieder einer der beiden Mithras-Kultgemeinschaften Virunums verzeichnet. Zudem wird darauf erwähnt, dass man mit einer Trauerfeier mehrerer Kultgenossen gedachte, die einer 183/184 n. Chr. wütenden Seuche – wohl der sogenannten „Antoninischen Pest“ – zum Opfer gefallen waren. Im Jahr 311 n. Chr. ließ schließlich der damalige kaiserliche Provinzstatthalter Aurelius Hermodorus ein Mithrasheiligtum renovieren, das zu jener Zeit bereits seit 50 Jahren verlassen gewesen war.
Vornehmer Römer
Schon 1850 wurde bei Grabungen unter der Ruine Hohenstein/Liebenfels im Bereich eines Heiligtums der Göttin Isis-Noreia die qualitätvolle Büste eines vornehmen, älteren Römers gefunden. Um die Schultern trägt der bärtige Mann einen auf Höhe des linken Schlüsselbeins mit einer verzierten Spange, einer Scheibenfibel, zusammengehaltenen Mantel. Das lebensgroße Brustbild wird aufgrund einer ebenfalls in Hohenstein gefundenen, ins Jahr 125 n. Chr. datierten Bauinschrift allgemein als das Porträt des damaligen norischen Prokurators Cl. Paternus Clementianus angesehen.
Kunst am Kopf
Dieser lebensgroße Porträtkopf einer vornehmen jungen Römerin wurde aus importiertem feinkörnigem weißem Marmor gearbeitet und zeigt eine aufwendige Haargestaltung, die aus zahllosen kleinen, gedrehten Buckellocken besteht, die über der niedrigen Stirn gescheitelt sind und einen breiten Haarwulst am Vorderkopf formen. Dahinter werden die Haare zu Zöpfen geflochten und zu einem Haarnest zusammengefasst. Diese kunstvolle Frisur trug zunächst Julia, die Tochter des Kaisers Titus (79‒81 n. Chr.), und wurde schon bald von der weiblichen Oberschicht im römischen Reich übernommen. Ob das Porträt eine hochgestellte Römerin darstellt, oder ein Bildnis der Kaisertochter selbst ist, bleibt offen.
Götterwelt en miniature
Die Römer verehrten eine Vielzahl an Göttern und schützenden Geistern, deren Bildnisse man in Heiligtümer weihte, aber auch im Bereich von Kultschreinen privater Häuser (ähnlich heutigen „Herrgottswinkeln“) aufstellte. Die hier gezeigten Statuetten stellen den römischen Hauptgott Jupiter, die Glücksgöttin Fortuna, die Muttergottheit Kybele, den Heilgott Äskulap sowie einen schützenden Hausgeist (Lar) und einen opfernden Genius (persönlicher Schutzgeist) dar.
Repräsentative Gräber
In römischer Zeit säumten repräsentative Gräber die Ausfallstraßen der Provinzhauptstadt Virunum. Diese waren mit Skulpturen verziert, wie etwa mit der hier ausgestellten Grabstatue eines Kleinkindes.
Letzte Ruhe
Das Grab einer um das Jahr 140 n. Chr. verstorbenen Bewohnerin von Virunum steht stellvertretend für all jene Bestattungen, die im Lauf der Jahrhunderte nach römischer Sitte außerhalb des Stadtgebietes vorgenommen worden waren. Die verbrannten sterblichen Überreste (Leichenbrand) kamen mit dem verbrannten Scheiterhaufen in das gemauerte Grab, welches mit einer Steinplatte und Steinen verschlossen wurde. Die Beigaben lagen auf der Brandschüttung und bestanden aus Glas- und Keramikgefäßen, zwei Münzen, eine Gewandspange (Fibel), verschiedenen Eisennägeln sowie einem Objekt aus Bein.