Raum für Neues
Was geschah in der Spätantike?
Raum für Neues
In der Spätantike suchten die Menschen Schutz auf Anhöhen und hinter Mauern. Christen errichteten damals erste monumentale Kirchenbauten. Das Ende des weströmischen Reiches hatte eine deutliche Bevölkerungsreduktion und Auflösung der alten Ordnung zur Folge, bot aber auch Raum für Neues. Die Zuwanderung von Gruppen slawischer Kultur und Sprache führte zur Gründung neuer Siedlungen in den Ebenen. Das blühende dörfliche Leben jener Zeit ist in erster Linie durch Funde in Gräbern fassbar, gleichzeitig bezeugen heutige Orts- und Flurnamen eine sprachliche Durchmischung der Bevölkerung Karantaniens. Im 8. Jh. erfolgte von Salzburg und Aquileia aus die Christianisierung der bis dahin heidnischen Slawen mit der Gründung von Kirchen und Klöstern wie jenem in Molzbichl bei Spittal.
Provinzhauptstadt und Bischofssitz
Die in der Nähe des heutigen Spittal an der Drau gelegene Römerstadt Teurnia erlangte in der Spätantike Bedeutung als Provinzhauptstadt und wurde aufgrund der zunehmend unsicheren Zeiten mit einer Stadtmauer befestigt. Gleichzeitig stehen monumentale Kirchenbauten für die Verbreitung des christlichen Glaubens und die Stellung Teurnias als Bischofssitz. Hochgestellte Persönlichkeiten finanzierten die kunstvolle Ausgestaltung der Sakralbauten mit Mosaikböden, die unterschiedliche Symbole des frühchristlichen Glaubens zeigen.
Spätantiker Wallfahrtsort
Der Hemmaberg bei Globasnitz in Unterkärnten ist eine der bedeutendsten frühchristlichen Fundorte des Alpenraumes. Hier befand sich schon im frühen 5. Jh. eine Höhensiedlung mit Kirche, die allmählich zu einem bedeutenden Wallfahrtsort mit intensiven Verbindungen nach Oberitalien wurde. Wegen dem starken Zustrom an Pilgern errichtete man im frühen 6. Jh. zwei Doppelkirchen, Unterkünfte, Platzanlagen und Wirtschaftsgebäude. Kunstvolle Mosaiken schmückten die Kirchenböden mit Ornamenten und Vogeldarstellungen, es sind die größten derartigen Schmuckböden in Österreich.
Unsichere Zeiten
Die Spätantike war eine unsichere Zeit und die Bewohner Kärntens reagierten darauf mit der Gründung geschützter Höhensiedlungen, wo die Menschen sich selbst versorgten. Das lokale Handwerk blühte, Fernhandel beschränkte sich dagegen auf Qualitätsprodukte wie Olivenöl und besondere Weinsorten. Die Römerstraßen wurden zunächst weiterhin vom Militär kontrolliert, wobei zunehmend Söldner aus dem Barbaricum zum Einsatz kamen. Die Kultur dieser Zuwanderer zeigt sich anhand von fremd anmutenden Alltagsgegenständen, Waffen und Schmuck in den Siedlungen und Gräbern. In Globasnitz in Unterkärnten wurden Personen mit einer künstlich herbeigeführten Schädeldeformation („Turmschädel“) bestattet, wohl ein Hinweis auf die Anwesenheit einer germanischen Gruppe.
Dörfliches Leben
Die Slawen siedelten vor allem in den Ebenen entlang von Flussläufen und gründeten Dörfer, von denen einige bis heute Bestand haben. Es handelte sich um weitgehend autarke landwirtschaftlich geprägte Siedlungen. Da allerdings kaum Reste der Holzarchitektur erhalten blieben, ist der Nachweis dieser slawischen Siedlungsperiode archäologisch schwierig, zumal viele der heutigen Kärntner Dörfer über den frühmittelalterlichen Vorgängern liegen. Viel aussagekräftiger sind da schon die Gräber, aus denen die frühslawische Tracht erschlossen werden kann. Wichtige Hinweise gibt zudem die Orts‐ und Flurnamenskunde, die auch die sprachliche Durchmischung der Bevölkerung Kärntens in jener Zeit bezeugt.
Mächtige Männer
Um das Jahr 700 wurden in Kärnten einzelne Männer mit kostbarer Kleidung und wertvollen Waffen bestattet. Dabei mischten sich Elemente westlicher (fränkisch-bajuwarischer) und östlicher (steppennomadisch-byzantinischer) Tradition. Dazu gehörte ein reich mit Beschlägen verzierter Gürtel mit herabhängenden Riemen, wie man ihn etwa in einem Grab von Grabelsdorf in Unterkärnten gefunden hat. Die solcherart hervorgehobenen Männer dürften über eine gewisse Macht innerhalb ihrer Siedlungsgemeinschaft verfügt haben und bekleideten möglicherweise den Rang eines Ban oder Župan.
Rückkehr des Kreuzes
Seit dem frühen 8. Jahrhundert sind von Salzburg ausgehende christliche Missionstätigkeiten im Kärntner Raum nachgewiesen, wobei neben religiösen vor allem politische Gründe eine entscheidende Rolle spielten: Die Region war für die Salzburger Bischöfe von großer geostrategischer Bedeutung. Der Streit mit dem ebenfalls missionarisch tätigen Patriarchat Aquileia wurde im Jahr 811 von Karl dem Großen beigelegt, indem er die Drau als Grenze der jeweiligen Einflussgebiete definierte. Nach anfänglichem Widerstand kam es zu dauerhaften Kirchen‐ und Klostergründungen, Grabbeigaben mit christlichen Symbolen sind Hinweise auf die Übernahme des Glaubens durch die ansässige slawische Bevölkerung.
Kunstvolle Steine
Steine mit Mustern aus ineinander verflochtenen, mehrstreifigen Bändern werden als „Flechtwerksteine“ bezeichnet. Sie schmückten im frühmittelalterlichen Karantanien als „Chorschranken“ die Abgrenzungen des Altarraums vom Laienraum, Baldachine über dem Altar sowie Lesepulte und waren daher gewissermaßen Kirchenmöbel aus Stein. Die ausgestellten Chorschranken stammen aus St. Peter bei Moosburg und sind um das Jahr 800 entstanden.
Einzigartige Inschrift
Ein außergewöhnlicher historischer Fund erwartet den Besucher in der Pfarrkirche von Molzbichl bei Spittal/Drau: Eine im Altar vermauerte Inschrift nennt einen wohl in Teurnia ansässigen „Diakon“ mit dem seltenen Namen Nonnosus und bezeugt dessen lokale Verehrung als Heiligen für das Jahr 533 n. Chr. Diakone unterstützten damals die Bischöfe bei ihren Aufgaben in Kult, Armen- und Krankenpflege sowie in der Verwaltung. Die in Kärntner Marmor gemeißelte Inschrift ist die letzte der römischen Antike und die einzige des 6. Jhs. in ganz Österreich. Die Verehrung des Nonnosus steht aber auch sinnbildlich für eine lebendige Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter, wurden seine als Reliquien verehrten Gebeine doch im 8. Jh. nach Molzbichl überführt und niedergelegt.
Gläserne Menschen
Die modernen Naturwissenschaften ermöglichen es, einen unmittelbaren Blick auf das Leben der Menschen der Spätantike zu werfen. Die eingehenden interdisziplinären Untersuchungen von Skeletten aus dem unteren Jauntal offenbaren so Herkunft und Mobilität, Lebensumstände, Krankheiten und Todesursachen der Verstorbenen.
Das tägliche Brot
Abgenutzte Zähne und Karies deuten auf die Ernährungsweise hin: Gemahlenes Getreide enthielt Gesteinspartikel von Mühlsteinen und kohlenhydratreiche Nahrung förderte Karies. Isotopenanalysen von Knochen und Zähnen lassen ebenfalls auf die Ernährung und etwaige Mangelerscheinungen schließen. Reste von Pflanzen und Tieren bezeugen die Formen der damaligen Landwirtschaft in Ackerbau und Viehzucht und ermöglichen Vergleiche mit den vorangehenden Jahrhunderten unter römischem Einfluss.
Harte Arbeit
Die Degeneration der Knochen ist eine natürliche Folge des Alterns, wird aber durch Krankheit, schlechte Ernährung oder besonders anstrengende und häufige Tätigkeiten entscheidend beschleunigt. Die körperlichen Gebrechen waren eine Herausforderung für den Betroffenen, aber auch für die Gemeinschaft, die sich um ihn kümmern musste.
Herkunft und Mobilität
Archäologische Spuren von Erbsubstanz (ancient DNA) liefern wertvolle Informationen über die Herkunft von Individuen und deren Vorfahren. Auch andere chemische Analysen (Strontium-Isotopen-Untersuchung) ermöglichen es, die Mobilität des Einzelnen zu rekonstruieren.
Letzte Ruhe
Die Informationen, die aus Bestattungen gezogen werden können, hängen immer von den Bestattungssitten der jeweiligen Epoche ab und können höchst unterschiedlich sein. Mit der Christianisierung in der Spätantike verschwindet die frühere Sitte, Beigaben ins Grab zu legen. Eine ungewöhnlich anmutende Bestattungsform jener Zeit sind aus Knochen arrangierte Grabeinfassungen: Die Gebeine bereits Verstorbener dienten, in Kastenform angeordnet, als Rahmung späterer Gräber.