Repression und Befreiung

Repression und Befreiung

„Die Kärntner Partisanen, die mit ihrem aktiven Kampf gegen den Nationalsozialismus ohne Zweifel einen Beitrag zur Wiederherstellung eines unabhängigen demokratischen Österreich geleistet haben, waren all die Jahre nach dem Krieg schlimmen Kritiken, Verleumdungen und sogar Unterstellungen des Terrorismus seitens der deutschen Nationalisten, hinter denen sich meist ehemalige Nazis versteckten, ausgesetzt.“ Marjan Linasi, 2013


Der deutsche Angriffs- und Vernichtungskrieg stieß in Ost- und Südosteuropa auf nationalen Widerstand. In Polen begann 1940 der Aufbau eines Untergrundstaates gegen die deutsch-völkische Neuordnung. Auch in Westeuropa entstand Opposition, schließlich militanter Widerstand, der von Exilregierungen in Großbritannien unterstützt wurde. Eine Zäsur war der Bruch des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts und der deutsche Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941. Der sowjetische Diktator Stalin rief zum Partisanenkampf auf. Auch die seit langem illegale Kommunistische Partei Jugoslawiens unter Jozip Broz Tito ging zum bewaffneten Widerstand über. Die brutalen Repressalien der Deutschen und ihrer kroatischen und italienischen Verbündeten brachten den Partisanen Zulauf. Die Rote Armee, unterstützt durch Waffen der USA, wurde zum Hoffnungsträger des Widerstands. Ab Herbst 1943 unterstützte Großbritannien Titos Truppen. Fast überall im besetzten Europa flüchteten Menschen vor der deutschen Arbeitspflicht in die Wälder. Besatzung und Widerstand polarisierten die Gesellschaften bis hin zum Bürgerkrieg, Konflikte entstanden um künftige Grenzen und Staatsformen. Im Deutschen Reich leisteten die Kärntner slowenischen Partisan:innen den einzigen dauerhaften bewaffneten Widerstand bis zur Befreiung am 8.5.1945.


Zahlen & Fakten:


• 1941 Gründung der Befreiungsfront der slowenischen Nation (OF)

• 1942 Erste slowenische Partisanengruppen in Kärnten

• 1943–1945 Garibaldi- und Osoppo-Partisan:innen in Nordostitalien

• 1944 Partisanenrepubliken in Friaul (Carnia und Friuli orientale)

• 1942–1945 3.000 Partisan:innen in Südostkärnten; davon ca. 1.000 (10 % Frauen) aus Kärnten selbst; ca. 600 Gefallene

Nation und Revolution

Slowenische und italienische Partisan:innen Den Keim für den Partisanenkampf legten die Achsenmächte durch die Zerstörung von nationalen Grenzen. Im April 1941 zerschlugen Deutschland, Italien und Ungarn Jugoslawien und teilten sich Slowenien auf. Oberkrain kam zum Reichsgau Kärnten, die Untersteiermark zum Gau Steiermark. Kurz darauf bildeten die kleine illegale kommunistische Partei Sloweniens (KPS) und bürgerliche Gruppen in Ljubljana die Antiimperialistisch Front, ohne zu den Waffen zu greifen. Das änderte sich mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion. Nun gründete die KPS mit anderen Gruppen die slowenische Befreiungsfront (OF), die zum nationalen Kampf gegen Germanisierung und Italienisierung aufrief. Die OF überschrieb das Ziel der Revolution mit dem neuen Ziel der nationalen Befreiung und der Vereinigung aller Slowen:innen, die unter deutscher und italienischer Herrschaft lebten. Dafür fand sie breite Unterstützung. So konnte die KPS ihre Führungsrolle festigen. Gegner:innen wurden bald unter Druck gesetzt oder beseitigt. In Nordostitalien (Operationszone Adriatisches Küstenland) entstanden ab 1943 zwei Partisanenbewegungen: die kommunistisch orientierten Garibaldi- und die überwiegend katholisch dominierten Osoppo-Partisan:innen. Teils kooperierten sie, teils standen sie in Konflikt zueinander, vor allem hinsichtlich der künftigen italienisch-jugoslawischen Grenze. Alle drei Bewegungen wurden Teil der Alliierten und erhielten Waffen und Hilfsgüter.

Zuflucht: Deserteure, Frauen, Zwangsarbeiter:innen

Zehntausende Männer, Frauen, Kinder bekämpften in Slowenien, Kärnten und Nordostitalien die deutsche Herrschaft.


Viele Menschen schlossen sich den Partisan:innen weniger aus politisch-ideologischen Motiven, denn aus Not an. Die Befreiungsfront bot jenen eine Alternative, die ins Visier der Besatzer gerieten: In Oberkrain waren es jene, die als „rassisch“ minderwertig ausgemustert und deportiert werden sollten, aber auch jene, die zu „Staatsangehörigen auf Widerruf“ erklärt und zum Dienst in der Wehrmacht oder zu anderen Zwangsdiensten verpflichtet wurden. Auch in Kärnten flohen Angehörige von Deportierten und Deserteure der Wehrmacht zu Partisanengruppen, die aus Oberkrain einsickerten oder hierher vor der Verfolgung auswichen. Hinzu kamen entflohene oder befreite Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangene. Frauen konnten sich allen Formationen der Partisan:innen anschließen, auch Kinder von Verfolgten wurden aufgenommen. Die Grenze zwischen Freiwilligkeit und dem Zwang der Verhältnisse war fließend. 1943 schuf der Ausstieg Italiens aus der Achse eine veränderte Situation: Italienische Soldaten flohen vor Internierung und Zwangsarbeit in die Berge. Ihre Waffen stärkten die Aufständischen weiter. In Friaul entstanden Partisanenrepubliken mit demokratischen Organen.

Repression: Polizei, Waffen-SS und Wehrmacht

Trotz brutaler Repression blieb der Widerstand bis zur Befreiung aufrecht.

Bereits 1941 griffen Partisan:innen in Oberkrain deutsche Polizeieinheiten an. Vom Winter 1941 bis Sommer 1942 kam es zum offenen Aufstand. Im Juni befahl der Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, die Niederschlagung des Widerstands. Die Polizei setzte systematisch Terror gegen die Bevölkerung ein. Mehrere Ortschaften wurden niedergebrannt, die Männer erschossen, Frauen und Kinder deportiert. Ganz ähnlich gingen der Höhere SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik und der SS-Offizier Ernst Lerch in Istrien und Oberitalien vor. Im April 1944 brannten Angehörige der Einheit R(einhardt), von SS- und Wehrmachtstruppen sowie faschistischen Verbänden das Dorf Lipa nieder und ermordeten alle anwesenden 269 Bewohner:innen, davon 96 Kinder. Zur gleichen Zeit führte der Spittaler SS-Offizier Helmut Prasch in Istrien einen Teil des Unternehmens „Braunschweig“ durch, bei dem mehrere „Flüchtende“ erschossen und zwölf Gefangene exekutiert wurden. Prasch hielt es für ineffizient, Partisanen vor das Sondergericht Triest zu stellen oder in ein KZ einzuweisen. Wehrmacht, SS und Polizei wirkten eng zusammen. Das zeigt die Enthauptung von zwei Partisanen am 11.6.1944 in Idrija. Eine Einheit des Reserve-Gebirgsjäger-Regiments 139 aus Klagenfurt ließ ihre Gefangenen durch das SS-Karstwehrbataillon auf barbarische Weise ermorden. In Kärnten verübten Angehörige des Polizeiregiments 13 am 24. April 1945 während eines Kampfes gegen Partisan:innen ein Massaker an elf Zivilist:innen am Peršmanhof bei Bad Eisenkappel.

Kriegsende: Befreiung, Vergeltung, Machtübertragung

Die Befreiung führten die alliierten Armeen herbei, der Widerstand war politisch und psychologisch bedeutend.

Ein Sonderfall war Jugoslawien. Hier übernahmen Partisan:innen die Regierung, um einen sozialistisch-föderalen Staat aufzubauen. Zunächst beseitigten die neuen Machthaber aber ihre Gegner und nahmen Rache: In Slowenien wurden 13.800 Personen, größtenteils Kämpfer der Domobranci, erschossen. Etwa 100.000 serbische, kroatische und andere faschistische Kollaborateure wurden getötet, nach ihrer Auslieferung durch die Briten aus Kärnten. In geringerem Umfang kam es in der Region Venezia Giulia zu Abrechnungen. Etwa 3.000–3.500 italienische Kollaborateure wurden umgebracht. Auch in Italien und Frankreich gab es Vergeltung. Die Zahl der getöteten italienischen Faschisten wird auf 10–12.000 geschätzt. In Kärnten nahmen während der kurzen Phase der jugoslawischen Besatzung ebenfalls Abrechnungen ihren Ausgang, mit unterschiedlichen Motiven. 263 Personen, meist NSDAP-Mitglieder, wurden verhaftet und in das frühere Gestapo-Gefängnis von Begunje verbracht. 96 von ihnen kamen um oder wurden ermordet und in Leše verscharrt. In Kärnten spielten deutschsprachige NS-Gegner:innen bei der Befreiung nur eine geringe Rolle. Es kam zu einer Machtübertragung von Gauleiter Rainer an ein Komitee von Altpolitikern, das erst Gauhauptmann Meinrad Natmeßnig im Mai 1945 initiiert hatte. Daraus ging unter Beiziehung des Kärntner Slowenen Joško Tischler und der KPÖ, die als einzige Partei durchgehend Widerstand geleistet hatte, die erste provisorische Landesregierung hervor. Rainer und Globocnik erhielten freies Geleit.

Zitat Wir sind voller Rachegefühle. Zumindest von mir kann ich das behaupten. Wie wir unaufhörlich betonen, rächen wir uns nicht, sondern verteidigen unsere Heimat. Wir haben die Grenze erreicht und sind schon völlig verausgabt. Manchmal kommt es so weit, dass wir einander auf die Finger schauen, jede Nudel zählen, die der Mitstreiter bekommen hat, die seltene Tasse Tee. Gegenseitig machen wir uns für die Läuse und die Schlaflosigkeit verantwortlich, Solidarität unter Genossen? Verschwindet zunehmend. Das alles dauert schon so lange. Wir werden grausam, wir werden übermütig, wir werden rücksichtslos.“ Maruša Krese, 2012 „Ich hatte das Gefühl, aus einem Gefängnis in die Freiheit zu gehen.“ Lipej Kolenik, 2001

Biografien

Karel Prušnik-Gašper (1910–1980):


• Bauernsohn in Bad Eisenkappel

• 1935 Haft wegen Verbreitung kommunistischer Schriften

• 1942 Deportation der Eltern und eines Sohnes, Flucht zu den Partisanen

• 1943–1945 Sekretär des Kreiskomitees der Kommunistischen Partei Sloweniens im Jauntal; Mitglied des Gebietsausschusses der slowenischen Befreiungsfront für Kärnten

• 1945–1947 Vorsitzender des Gebietsausschusses der Befreiungsfront für Kärnten

• 1947–1948 Haft wegen Beleidigung der britischen Militärregierung

• 1947–1980 Obmann des Verbandes der Kärntner Partisanen

• 1957 Zurücklegung einer Anzeige wegen Gewalttaten im Partisanenkampf durch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt

• 1958 Autobiografie Gamsi na plazu

• 1976 Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs • 1980 Autobiografie Gemsen auf der Lawine. Der Kärntner Partisanenkampf

Helene Kuchar-Jelka (1906–1985):

• Landwirtin und Näherin in Bad Eisenkappel

• 1940 Einberufung ihres Mannes Peter zur Wehrmacht, drei Kinder

• 1943–1944 Aktivistin der slowenischen Befreiungsfront, Unterstützung der Partisan:innen; Mitbegründerin der Antifaschistischen Frauenfront

• 1944 Nach einer Denunziation Flucht in das Savinja-Tal, Beitritt zur Kommunistischen Partei Sloweniens

• 1945 Verhaftung durch die Gestapo Klagenfurt

• 1947 Vorsitzende der Antifaschistischen Frauenfront der slowenischen Befreiungsfront

• 1984 Autobiografie „Jelka. Aus dem Leben einer Kärntner Partisanin“

Helmut Prasch (1910–1996):

• 1932–1938 Lehrer in der Volksschule am Sonntagsberg bei St. Veit

• 1931 Beitritt zur NSDAP, Aktivist und Schulungsleiter

• 1938 Lehrer in Schiefling, Beitritt zur SS

• 1940 Soldat der 4. SS-Totenkopfstandarte, Kriegseinsatz an der Westfront

• 1941–1943 Beauftragter der Schulabteilung in Stein in Oberkrain, Akteur der Germanisierung; Teilnahme an der Partisanenbekämpfung

• 1943 Spähtrupp-Führer der SS-Panzer-Division „Das Reich“

• 1943–1945 Kommandant der SS in Pula; Leiter der Aktion R in Pula; Kommandant beim Unternehmen „Braunschweig“, Exekution von 12 Gefangenen

• 1945 Bandenkampfzeichen in Gold

• 1949 Verurteilung wegen Betätigung für die NSDAP vor 1938

• 1951 Wiedereinstellung als Lehrer • 1956 Direktor der Sonderschule Spittal/Drau

• 1958 Gründung des Bezirksheimatmuseums im Schloss Porcia

• 1963 Ermittlungen zur Deportation jüdischer Familien aus Pula, Einstellung

• Populärer Heimatforscher, Publizist, Gemeinderat und Vizebürgermeister in Spittal/Drau (SPÖ)

• Zahlreiche Ehrungen und Preise, u. a. Georg-Graber-Medaille der Kärntner Landsmannschaft

Entnazifizierung

Die Alliierten zählten Österreich zu den befreiten Ländern. Zugleich war klar, dass Deutschnationalismus und Nationalsozialismus stark verankert waren. Als erstes erklärte die britische Militärregierung jede Betätigung für die NSDAP für illegal und verkündete die Geltung der von den Nazis niedergerissenen Grenzen von 1937. Die Briten anerkannten die in Wien gebildete provisorische Staatsregierung erst im Oktober 1945. Bis Februar 1946 lag die Entfernung von Nationalsozialist:innen aus öffentlichen Ämtern in ihrer Hand. Sie wurden in Lagern interniert. Ab 1946 kam das „Verbotsgesetz“ zur Anwendung. Etwa 45.000 „Ehemalige“ wurden registriert, etwa 3.600 galten als „belastet“. Schon 1948 begann ihre Wiedereingliederung und Zulassung zu Wahlen. 1949 durfte der Verband der Unabhängigen (VdU), das Sammelbecken der „Ehemaligen“ und Vorläuferpartei der FPÖ, bei Wahlen antreten.

Zitat „Alle Gesetze und Verordnungen, die Personen wegen ihrer Rasse, Religion oder politischen Anschauung unterschiedlich behandeln […] sind […] außer Kraft gesetzt.“ Militärregierung Österreich, Erlass Nr. 1

(Kein) Recht

In Kärnten nahm das Landesgericht Klagenfurt 1946 Ermittlungen zum Massaker am Peršmanhof auf. Die überlebenden Kinder schilderten die Erschießungen, konnten die Täter aber nicht identifizieren. Angehörige des SS-Polizeiregiments 13 leugneten oder wiesen sich gegenseitig die Schuld zu. 1947 identifizierte die Staatsanwaltschaft den jungen Polizisten Márton Sándor aus Budapest als dringend tatverdächtig. Da er ungarischer Staatsbürger war, konnte kein Auslieferungsbegehren gestellt werden. 1948 wurde die Staatsanwaltschaft Budapest ersucht, die Strafverfolgung Mártons zu übernehmen, Ermittlungsergebnisse wurden übersandt. Der zur Tatzeit 17-jährige Taglöhner befand sich in Budapest bereits wegen anderer Delikte in Haft. Auch er leugnete die Tat, verwickelte sich aber in Widersprüche. 1949 wurde er vom Budapester Volksgericht für schuldig befunden und verurteilt. 1951 wurde das Urteil mit einem Strafausmaß von 15 Jahren Haft rechtskräftig. 1956 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen. In Österreich blieb seine Bestrafung unbekannt. Die Kommunikation zwischen den Justizbehörden riss 1950 ab, die österreichischen Behörden zeigten kein Interesse mehr, die Ermittlungen waren eingestellt worden. Schon 1949 wurde im behördlichen Schriftverkehr das Geburtsjahr Mártons falsch angegeben. Deshalb wurde der Gerichtsakt später nicht mehr entdeckt. Er wurde erst 2024 im Budapester Stadtarchiv gefunden.

Erinnern

In Österreich galt das Verbrechen am Peršmanhof als ungeklärt. Sehr bald wurden „die Partisanen“ des Verbrechens beschuldigt. Das Massaker und der angeblich drohende Verlust des gemischtsprachigen Gebietes an Jugoslawien wurden zum Spielball deutschnationaler Agitation. 1995 bezeichnete der stv. Landeshauptmann Karl-Heinz Grasser die Widerstandskämpfer:innen als „Feinde Kärntens“. Helmut Prasch erhielt als Volkskundler zahlreiche Würdigungen, seine Rolle bei der Widerstandsbekämpfung wurde verschwiegen. Zwar erhielt Klagenfurt 1967 am Friedhof Annabichl ein „Mahnmal für die Opfer für ein freies Österreich“, die Würdigung des Widerstands der Kärntner Partisan:innen blieb jedoch ebenso lange aus, wie die Beschäftigung mit dem Kärntner Anteil an der NS-Herrschaft in Slowenien und Nordostitalien. Erst in den 2010er Jahren entstanden mehrere sprachgruppenübergreifende Projekte des Erinnerns, etwa zu den slowenischen Deserteuren in Zell oder die Neugestaltung des Museums am Peršmanhof. In Lipa richtete die Gemeinde bereits 1968 eine Gedenkstätte ein; 2015 wurde sie neugestaltet. In Triest erinnert das Memorial Risiera di San Sabba an die Opfer des Widerstands und der Shoah, die wesentlich von Kärntner Nationalsozialisten zu verantworten waren.

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