Briefe 1/2

„wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis“
Paul Celan: Corona. In: Mohn und Gedächtnis. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1952

Mehr als 6000 Briefe haben sich in Ingeborg Bachmanns Nachlass erhalten. Sie erhellen das intellektuelle Netzwerk der Dichterin, sind wichtige literaturgeschichtliche Quellen und geben Einblick in Alltägliches und Privates.

Die ausgestellten Korrespondenzstücke zeigen Bachmann im Austausch mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern: mit Nelly Sachs, Uwe Johnson, Erich Fried, Paul Celan und Max Frisch. Mit letzteren beiden verband Bachmann neben dem Schreiben auch eine enge persönliche Beziehung. Immer wieder sind poetische Anspielungen, Zitate und Widmungsgedichte Teil von Bachmanns Korrespondenz: Sie belegen die Bedeutung des Briefeschreibens für das Werk der Dichterin und jenes ihrer Briefpartner:innen.

Ingeborg Bachmann an Uwe Johnson, Briefentwurf, Klagenfurt, [Sommer 1970]

In diesem hier, in der Henselstraße 26, entstandenen Briefentwurf berichtet Bachmann von einem Aufenthalt in Klagenfurt im Sommer 1970. Ihre Heimatstadt beschreibt sie ungeschönt als provinziellen, von deutschen Touristen bevölkerten Ort, der ihr „völlig vertraut und völlig fremd“ zugleich sei. Seinen Adressaten, Bachmanns Schriftstellerkollegen und Freund Uwe Johnson (1934–1984), erreichte dieser Brief in überarbeiteter Form, der ihn später in sein Erinnerungsbuch Eine Reise nach Klagenfurt (1974) einfließen ließ, das unmittelbar nach Bachmanns Tod entstand und zahlreiche Zitate aus Briefen und Texten der Dichterin enthält.

Paul Celan an Ingeborg Bachmann, Postkarte, Paris, 20. Juni 1949

Den Dichter Paul Celan (1920–1970) lernte Bachmann im Mai 1948 in Wien kennen. Bis zu seinem Freitod waren die beiden einander in Liebe und Freundschaft verbunden. Ihre Beziehung schlug sich in poetischen Briefen und Widmungstexten nieder. Im Sommer 1949 schickte Celan den hier gezeigten postalischen Gruß zu Bachmanns 23. Geburtstag am 25. Juni 1949. Zwei Sträuße wolle er ihr damit auf den Geburtstagstisch stellen: Mohn und Gedächtnis. In Celans erstmals 1948 veröffentlichtem Gedicht Corona heißt es: „wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis“. 1952 erschien sein Gedichtband Mohn und Gedächtnis. [Transkription]

Paris, am 20. Juni 49.

Ingeborg,

‘ungenauʼ und spät komme ich in diesem Jahr. Doch vielleicht nur deshalb so, weil ich möchte, daß niemand außer Dir dabei sei, wenn ich Mohn, sehr viel Mohn, und Gedächtnis, ebensoviel Gedächtnis, zwei große leuchtende Sträuße auf Deinen Geburtstagstisch stelle. Seit Wochen freue ich mich auf diesen Augenblick.

Paul

Paul Celan, 31 Rue des Ecoles, Paris 5e



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