IDENTITÄT. DIFFERENZ

„Ich bin niemands Frau. Ich bin noch nicht einmal. Ich will bestimmen, wer ich bin…“

Ingeborg Bachmann: Ein Schritt nach Gomorrha. In: dies.: Das dreißigste Jahr. 1961

Viele von Bachmanns Texten thematisieren das Verhältnis der Geschlechter zueinander, die gesellschaftlichen Normen und die latente Gewalt, die in (Liebes-)Beziehungen wirksam sind. Im Hörspiel Der gute Gott von Manhattan steht die leidenschaftliche Liebe zwischen Jan und Jennifer im Widerspruch zur herrschenden gesellschaftlichen Ordnung: Der „gute Gott“ setzt der utopisch bleibenden Liebe ein Ende. Für das Hörspiel erhielt Bachmann 1959 den Hörspielpreis der Kriegsblinden.

Mit Beziehungsverhältnissen, Liebe und Erotik setzt sich Bachmann auch in zwei Erzählungen aus dem Band Das dreißigste Jahr auseinander: In Undine geht rechnet die Nymphe Undine nach ihrer missglückten Beziehung zu Hans mit der Männer- und der Menschenwelt ab und zieht sich in eine märchenhafte Unterwasserwelt zurück. „Ein Schritt nach Gomorrha“ beschreibt lesbisches Begehren und den Emanzipationsprozess einer Frau, die das Ende gesellschaftlicher Geschlechterkonventionen ersehnt: „Komm, daß ich erwache, wenn dies nicht mehr gilt – Mann und Frau. Wenn dies einmal zu Ende ist!“

Die Frage nach der Identität einer Person und für eine Autorin speziell hat Elfriede Jelinek in Bezug auf Ingeborg Bachmann angesprochen. „Für eine Frau ist schon das Schreiben ein gewalttätiger Akt, weil das weibliche Subjekt kein sprechendes ist. Das Drehbuch zu Ingeborg Bachmanns Roman Malina, das ich geschrieben habe, thematisiert genau das, daß eine Frau, um zu sprechen, sich ein männliches Subjekt, das sie aber selber nie sein kann, borgen muß, aber letztlich keinen Raum hat, in dem sie sprechen kann, solange, bis sie in der Wand verschwindet. Das können sich Männer gar nicht vorstellen, was es heißt, als Frau zu sprechen. Wenn sie es doch tut, so ist das eine Überschreitung, eine Art aggressiver Akt. Mich wundert, dass die Frauenliteratur nicht gewalttätiger ist.“ (Robert Winter: Gespräch mit Elfriede Jelinek. 1991)

Als literarischer Star, als Tochter, Schwester, als Partnerin, Geliebte, als öffentliche Person und ganz im Privaten, in glücklichen Phasen, während Krankheit und Sorge, tritt Ingeborg Bachmann in verschiedensten Kontexten und Lebenszusammenhängen auf. Selbstbilder und Bilder, die sich andere von einer Person machen, treten in Wechselwirkungen. Sie ist selbst Vorbild und inspiriert sich durch andere. „Alterität heißt, dass das, was man selber ist, nur gefunden werden kann über das, wofür andere einen halten,“ sagt der Philosoph Robert Pfaller.

Ingeborg Bachmann fühlte sich etwa nach der Trennung von Max Frisch wie vernichtet. In seinem Roman Mein Name sei Gantenbein, findet sich Bachmann im zentralen weiblichen Figurenentwurf, der Schauspielerin Lila wieder. „Sie fühlte sich dadurch wiedererkannt und sah sich in ihren privaten Beziehungen dem Literaturmarkt preisgegeben.“ (Hans Höller: Ingeborg Bachmann)



Objekt: Psyche

„Es gibt nur ein Möbel, das einen derart auffälligen Namen trägt: Psyche. Ein mit Spiegel und Lädchen versehenes Ding, welches zum Inventar des Schlafzimmers gehört. Es ist dasjenige Gebilde des intimen Raumes, das der Selbstbetrachtung dient – ein autoerotisches Instrument.“
(Elisabeth von Samsonow: https://www.samsonow.net/index.php/de/geschichte-der-psyche).

Die Bezeichnung Psyche orientiert sich an der mythologischen Figur Psyche - "die Seele", weil man im Spiegel "seine Seele erblicken kann". Psyche, eine sterbliche Königstochter geht mit Amor (auch Cupido/Eros genannt) eine mystische Liebesbeziehung ein. Dies ist ein beliebtes Sujet der Künste und wurde bereits im 2. Jh. in den Metamorphosen des Apuleios beschrieben.



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