ROMA
ROMA
Bachmann kennt nicht die typisch romantische Italiensehnsucht. In Italien sucht sie die Möglichkeit, als freie Schriftstellerin zu leben und weit weg von der Wiener Konkurrenz internationale Anerkennung zu finden. Sie möchte die Maria Callas der Dichtung werden.
In Rom findet sie das Herz ihrer Wahlheimat. Sie ist von der glamourösen Welt und vom Mythos der Dolce Vita fasziniert, aber in ihrem Rom-Essay von 1955 wendet sie sich wie Pier Paolo Pasolini dem Leben der kleinen Leute zu. Hinter der Schönheit der Architektur entdeckt sie die verborgenen Spuren der fortdauernden Gewalt in der Geschichte.
In der ewigen Stadt lernt Bachmann aber auch die Lebensart der Italiener, die ‚Leichtigkeit des Seins‘ und ihre Eleganz schätzen. In ihrer Bewunderung verklärt sie Italien zum Land der emanzipierten Arbeiter und selbstbewussten Frauen, die für sie die Hoffnung auf ein nicht am Materialismus orientiertes und nicht männlich dominiertes Leben verkörpern.
Lange vor der Konzeption des „Todesarten“-Zyklus reflektiert Bachmann in ihren Rom-Texten das Thema der Gewalt an Frauen in der patriarchalischen Gesellschaft. So richtet sie ihre Aufmerksamkeit etwa auf die schiffsartige „Isola Tiberina“, die im alten Rom den Kranken und Toten vorbehalten war, auf den Palazzo Cenci, der sie an die Hinrichtung der jungen Beatrice Cenci in der Renaissance erinnert oder auf den Lido von Ostia, den Schauplatz des Mordes an Wilma Montesi, der im Italien der 50er Jahre einen großen politischen Skandal auslöste.
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