Von einem Land, einem Fluß und den Seen
Von einem Land, einem Fluß und den Seen
Die Verse aus dem mehrstrophigen Gedicht Von einem Land, einem Fluß und den Seen zeigen, dass bei Bachmann die Sehnsucht nach Grenzüberschreitung und sprachlichem Aneinandergrenzen mit ihrer Herkunft aus dem politisch zerrissenen, slowenisch- und deutschsprachigen Kärnten zu tun hat.
In der NS-Zeit wurden viele Slowenen, die ihre Sprache und ihre Herkunft nicht verleugnen wollten, umgesiedelt und viele kamen in Konzentrationslagern ums Leben.
Der Sprachutopie Bachmanns liegt die Sehnsucht nach einer Aufhebung der feindlichen Trennungen in ihrem Herkunftsland zugrunde. Die große Lyrikerin Nelly Sachs fühlte sich bei der Lektüre des Gedichts von dieser Sehnsucht angesprochen. Die aus Hitlerdeutschland ins schwedische Exil geflüchtete Dichterin hatte von Paul Celan Bachmanns Adresse und den Gedichtband Anrufung des Großen Bären (1956) bekommen. In ihrem Brief, Stockholm, 2. Jänner 1958, verwandelte sie den utopischen Wunsch aus Bachmanns Kärntengedicht in ein Losungswort: „Unbekannt aber, über Grenzen sprechend‘“. Im Brief vom 5. Juni 1960 legte sie auf einem Zettel auch ein kleines Poem bei, das die geschwisterlich empfundene Autorschaft mit Bachmann zum Ausdruck bringt:
„[…] Von / lang – lang her kommt / unsere Schwesternschaft – / geht weit weit in die Ferne / wird das sein – Dort – Dort – / / Deine Li“.
- Zit. n. Ingeborg Bachmann: Marie Luise Kaschnitz, Hilde Domin, Nelly Sachs: über Grenzen sprechend. Die Briefwechsel. Hg. v. Barbara Agnese. München, Berlin, Zürich 2023, S. 90 u. S. 91 (= Ingeborg Bachmann: Werke und Briefe. Salzburger Bachmann Edition. Hrg. v. Irene Fußl und Uta Degner. Unter Mitarbeit von Silvia Bengesser)
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