Erschütterter Magdalensberg

Ein Stadtzentrum wird umgebaut

In der römischen Stadt auf dem Magdalensberg sind um den Marktplatz (Forum) in spätaugusteischer-frühtiberischer Zeit (10–20 n. Chr.) massive Um- und Neubauten festzustellen.

Dort wurden in 70 Ausgrabungsjahren Befunde festgestellt, die auf großflächige Zerstörungen deuten. Dies zeigt sich beispielsweise anhand:

  1.  Der Verstärkung von meterdicken eingestürzten und/oder gebrochenen Terrassenmauern
  2. Einem grundrissidentischen Wiederaufbau von Bauten und Gebäudekomplexen
  3. Der Auffüllung bzw. Abtragung von Bauten zur Gewinnung von Frei- oder Bauflächen
  4. Der Aufschüttung von Terrassen zur Schaffung neuer Stadtareale
  5. Der Errichtung von Großbauten über demolierten Gebäuden

Beispiel für eine verstürzte Mauer im Raum K bei der Ausgrabung im Jahr 1950.
Beispiel für eine verstürzte Mauer im Raum K bei der Ausgrabung im Jahr 1950.
Beispiel für verstürzte Mauern in der Lagerhalle AA/35 der kaiserlichen Goldbarrengießerei.
Beispiel für verstürzte Mauern in der Lagerhalle AA/35 der kaiserlichen Goldbarrengießerei.

Diese Schadensbilder erstrecken sich auf folgende Stadtbereiche:

  1. nordwestlich des Forums: Forumstherme/Repräsentationshaus (1), Marktbasilika/Prätorium (2), T-Bauten (3), WR-Bauten (4)
  2. südwestlich und südlich des Forums: Großküche/Herbergsbetrieb (5), kaiserliche Goldbarrengießerei (6)
  3. südöstlich des Forums: Südhangbauten (7)
  4. nordöstlich des Forums: Werkstättenviertel OR-Bauten (8) und NG-Bauten (9)

Grundrissplan der Stadt auf dem Magdalensberg mit Schadensbereichen.
Grundrissplan der Stadt auf dem Magdalensberg mit Schadensbereichen.

Die Befunde sprechen für eine katastrophale urbanistische Zäsur. Das Stadtzentrum wurde danach völlig umgestaltet. Dieser Zerstörungshorizont erklärt sich durch ein flächenwirksames Naturereignis: ein Erdbeben. Fest steht, dass der zerstörte Tempel am Magdalensberggipfel nicht wiederaufgebaut wurde. Stattdessen errichtete man an der Nordseite des Forums einen monumentalen Sakralbau. Außerdem fanden an der gesamten Westhälfte des Forums nun öffentliche Bauten (Verwaltungsgebäude, die Gerichtsbasilika mit Tribunal und eine kaiserliche Goldbarrengießerei) Platz.

Dafür spricht auch die literarische Überlieferung durch den Geschichtsschreiber Cassius Dio (Buch 24, 2–3). Als eines der unheilvollen Vorzeichen für die Niederlage Roms in der Varusschlacht beschrieb er um 9 n. Chr. unter anderem ein Erdbeben:

„[…] Die Alpengipfel schienen aufeinanderzustürzen und drei Feuersäulen emporzusenden; vielerorts machte der Himmel den Eindruck, als stehe er in Flammen […].“

Dio Cassius: Darstellung aus dem 17. Jahrhundert.
Dio Cassius: Darstellung aus dem 17. Jahrhundert. Quelle: www.biografiasyvidas.com/biografia/d/dion_casio.htm

Die archäologischen Untersuchungen der letzten fünf Jahren bestätigen die katastrophale Zerstörung der Stadt. Die Keller an der Südseite des Forums wurden den Funden zufolge zwischen 10 und 20 n. Chr. mit Bau- und Brandschutt verfüllt. Die ursprünglich über 10 Meter hohen Mauern westlich der Forumsbasilika waren ebenfalls gebrochen oder verstürzt und mussten erneut aufgebaut und/oder durch „Stützmauern“ verstärkt werden.

Besonders deutlich zeigt sich der Befund im ursprünglichen Kaiserkulttempel im Raum K, welcher nun erweitert um ein Podest (Tribunal) und dem basilikalen Bau im Osten, zu einem administrativen Verwaltungsraum umfunktioniert wurde. Die Anlage stellt das älteste erhaltene Rechtsdenkmal im östlichen Alpenraum dar.

Gebrochene Nordmauer Raum K (Erdbeben?) bei der Ausgrabung im Jahr 2019.
Gebrochene Nordmauer Raum K (Erdbeben?) bei der Ausgrabung im Jahr 2019.
Schematisierter Schnitt durch die Räume W-K-I mit Umbaumaßnahmen nach dem Beben um 9 n. Chr.
Schematisierter Schnitt durch die Räume W-K-I mit Umbaumaßnahmen nach dem Beben um 9 n. Chr.
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